WALK!

Schirn, Frankfurt, 16. April 2022

Ein Warm-up ganz besonderer Art habe ich Petra Annemarie Schleifenheimer zu verdanken, die mich vor ein paar Wochen an ihrem Küchentisch auf die Ausstellung WALK! aufmerksam machte, die sich in der Schirn in Frankfurt am Main mit ganz unterschiedlichen Aspekten des Themas Gehen auseinandersetzt. Wie es der Zufall will, telefoniere ich am selben Abend mit Elisabeth Tuma und weil wir beide – wie wohl viele andere Menschen auch – endlich wieder mehr unternehmen möchten, entscheiden wir sofort, das wir im April nach Frankfurt fahren. Es kommt noch besser: Wir buchen auch umgehend unsere Bahntickets und schon ist es fix, dass wir die Ausstellung WALK! anschauen.

Morgens um halb zehn fährt unser Zug in Nürnberg ab, rund zwei Stunden später sind wir am Ziel. Vor über 20 Jahren habe ich in ein knappes Jahr in Frankfurt gearbeitet. Ich muss aber zugeben, dass ich nur wenig erinnere. Die meiste Zeit saß ich wohl am Schreibtisch und gewohnt habe ich damals in Bad Homburg. Römer, Mainufer und die grobe Richtung bekomme ich immerhin noch hin. Wir lassen es uns nicht nehmen, zu Fuß zu gehen und genießen den herrlich sonnigen Tag. Es ist zwar ziemlich frisch, doch der blaue Himmel verleiht der Stimmung Flügel.

Erwartungen und Überraschungen

In der Schirn ist es viel ruhiger als in den Frankfurter Straßenfluchten. 100 Werken von mehr als 40 Künstlerinnen und Künstlern spiegeln wider, was mit dem Gehen, der aus meiner Sicht grundlegendsten Bewegungsformen der Menschen, assoziiert wird. WALK! Wir sehen manches, was zu erwarten war, anderes, das überrascht. Zu erwarten war sicher das Thema Flucht. Fluchtrouten, sehr klar skizziert. Was viele Menschen während der Pandemie wieder für sich als kleine Freiheit in Zeiten der Isolation entdeckten, ist für andere der Weg in die erhoffte Freiheit von Bedrohungen verschiedenster Art. Was für ein Kontrast, der von der Kargheit der dargestellten Fluchtrouten auf die Spitze getrieben wird.

Mutig

Das Gehen in der Ausstellung ist ein stetes Hin-und-her-Gehen. Getrieben von Neugier und Entdeckerlust bleibe ich immer wieder stehen, um die Beschilderungen zuordnen zu können. Ich gebe irgendwann auf. Für mich als Rechts-links-Gehandicapte sind die Anforderungen an dieser Stelle zu hoch gesteckt. Das hat noch Potenzial, genau wie das Booklet, befreit uns aber von allen gut gemeinten Vermittlungsversuchen. Wir entscheiden uns für den direkten Kontakt zu den Werken und lassen uns ein auf deren Sprache. Das gelingt oft, aber nicht immer. Manchmal erschrecke ich über die Strenge meiner Interpretation. Dann erdet mich ein „mutig“ von Elisabeth ganz wunderbar.

Zigarettencellophantütchen

Faszinierend sind die Cellophantütchen, die ursprünglich Zigarettenpackungen ummantelten. In diesen Tütchen wurden lauter kleine Dinge arrangiert. Allesamt Abfälle, wie man sie – so Elisabeth – wohl auch im heimischen Staubsauger finden kann. Vermutlich wurden diese eher auf der Straße gefunden. Am besten selbstverständlich beim Gehen. Von den winzigen Welten in Dutzenden dieser Cellophantütchen kann ich mich kaum trennen. So viel meist nicht Gesehenes am Wegesrand, am Lebensrand.

Auf die Straße gehen

Wie zu erwarten, treffen wir auch auf ungewöhnliche Weise dokumentierte gewanderte oder gegangene Wege. Aber – es sind durchaus interessante Aufbereitungen, die uns eine Weile begeistern. Neue Gedanken, neue Perspektiven werden hier und da von den vergeblichen Mühen der freien Interpretation unterbrochen. Dann die Aufbereitung des Auf-die-Straße-Gehens von wohl meist Studentinnen und Studenten im Frankfurt der 70er-Jahre. Spannend. Solche Druckstücke kennen wir auch noch. Immerhin gehören wir zur Generation der Schülerinnen und Schüler, die mit dem Geruch von Matrizen vertraut waren!

Faszinierende Fülle

Auch wenn wir das eine oder andere Werk als mutig empfanden, hatten wir doch viel Freude an neuen und alten Gedanken, an vermuteten Intentionen wie an persönlichen Interpretationen und am immerwährenden Diskurs des Menschen – in diesem Fall von uns zwei Menschen – mit der Kunst! Wir haben dann getan, was die WALK! nahelegt und sind gegangen. Auf die Straße, in den Dom, zum Metzger, um grüne Soße zu genießen, und schließlich wieder zum Bahnhof!

Wer hat die WALK! denn auch besucht und möchte uns hier in den Kommentaren oder per Email seine Eindrücke beschreiben? Ich freue mich darauf.

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