Ab nach Hause

Der Test. Tag 4.

Der Morgen beginnt mit lustigen Frühstückseiern, einem Gang über dem Campingplatz und üppiger Vegetation. Und ganz kurz hatten wir den Gedanken, an diesem letzten Tag in Italien doch noch Venedig zu besuchen. Doch da wir den Camper am Samstag zwischen 9 und 10 Uhr abgeben müssen, ist unser Zeitbudget eingeschränkt. Für einen kurzen Besuch in Verona reicht unsere Zeit aber noch und so fällt unsere Wahl auf diese Variante. Wir stellen den Camper und machen uns zu Fuß auf den Weg in die zweifelsfrei wunderschöne Altstadt. Google Maps sagt, der Weg dauert 22 Minuten und ich glaube, das kam auch ziemlich gut hin.

Ristorante Caffè Vittorio Emanuele

Das Amphitheater, der Platz davor und die Gassen der Altstadt, das herrliche Wetter, die Außenbestuhlung der Cafés und Restaurants, aber auch die vielen Touristen verleihen der Stadt, die zum UNESCO-Welterbe zählt, eine helle und beschwingte Atmosphäre. Erst einmal schaue ich mir das Amphitheater an. Allerdings nur von außen, da ich fürchte, dass eine intensivere Besichtigung unseren Zeitplan sprengen würde. Für einen Cappuccino auf der Terrasse des Ristorante Caffè Vittorio Emanuele reicht die Zeit aber allemal. Und auch für einen Blick in die sehr stilvollen Innenräume – traumhaft!

So hat Julia nicht ausgesehen?

Dann wird noch ein wenig ziellos durch die Altstadt geschlendert, bis mir endlich einfällt, dass ich ja zu Julias Balken wollte. Es gibt eben Dinge, die müssen sein. Die Schlange der Menschen, die in den Hof möchten, ist relativ überschaubar und so gehe ich in den Innenhof. Auf dem Balkon steht eine junge Frau mit weißem Kleid und dunklem Haar, verteilt Handküsse und fällt sofort dem Spott der Zuschauenden anheim: So hätte Julia ganz bestimmt nicht ausgesehen. So hat halt jeder seine Vorstellungen. Ich fand die Vorstellung ganz hübsch. Jedenfalls hübscher als den Touristen, dem die junge Frau dann den Platz überließ.

Piazza delle Erbe

Ein paar Schritte weiter liegt die Piazza delle Erbe. Romantisch-morbide Fassaden begeistern die Touristen, deren Blicke zwischen den Häusern und den doch eher touristisch orientierten Marktständen hin- und herwandern. Für uns wird es nun Zeit, zu unserem Camper zu gehen und die Heimreise anzutreten. Wir kommen gut voran, aber in den Alpen erwischen wir wieder ein paar Regenschauer. Aber die sind längst nicht so arg wir am Dienstag.

Wieder daheim

Spät am Abend sind wir froh, wieder zuhause zu sein. Nicht nur, weil die Fahrt lang ist, sondern auch, weil diese Reise nicht wirklich entspannend war. Aber es war dennoch gut, dass wir sie unternommen haben. Wir wollten ja herausfinden, ob der Camper als mobiler Arbeitsplatz für uns das richtige ist. Das Testergebnis ist ein eindeutiges Nein. Dieser Urlaubsform muss man zugute halten, dass wir viele Anfängerfehler gemacht haben. Dazu zählt als erstes, dass wir uns nicht genug Zeit genommen haben, uns zu organisieren. Das hätten wäre sicher von Vorteil gewesen, man muss aber auch bedenken, das man die Mietzeit des Campers mit Reisen und nicht mit Organisation verbringen möchte. Insbesondere weil wir den Wagen bereits am Samstag zwischen 9 und 10 Uhr zurückgeben mussten, nachdem wir die Buchung auf den Samstag erweitert hatten. Anders ist es mit Sicherheit, wenn man im eigenen Camper unterwegs ist. Dann hat vermutlich alles seinen dauerhaften Platz gefunden, man verstaut Kleidung und eventuell Lebensmittel, muss sich aber um die Basics wie Geschirr und Wasserschlauch keine Sorgen mehr machen.

Der Camper – nicht so unser Ding …

Aber es sind auch camperalltägliche Dinge, die uns stören. Das ständige Umräumen von alltäglich benötigten Dingen – von der Zahnbürste bis zum Kochtopf – gehört dazu. Aber auch, dass wir beide ganz unterschiedliche Bedürfnisse haben, muss man bewusst managen. Wenn ich am Abend bei der Arbeit lange telefoniere, um eine Arbeit abzustimmen, und Thomas währenddessen Eishockey schauen möchte, dann kann man so tolerant sein, wie man will: Man beeinträchtigt sich gegenseitig. Deswegen haben wir eine große Wohnung. Wir machen sehr vieles sehr gern gemeinsam, aber wir haben auch gern unsere persönlichen und räumlichen Freiräume. Warum sollten wir uns im Urlaub, in dem bei uns eben auch gearbeitet wird, so stark einschränken?

Weniger flexibel als gedacht

Der nächste Punkt ist die geringe Flexibilität. Steht der Camper auf dem Platz, dann fährt man zwischendurch nicht mal schnell in den nächsten Ort. Ich glaube, die Camper fahren entweder weiter zu einem anderen Platz oder bleiben auf ihrem Stellplatz. Um sich mal eben ein paar Orte weiter umzuschauen, müsste man das komplette Equipment verstauen, Markise und Gartenmöbel einpacken und alle Nachbarn aufschrecken. So weit ich es gesehen haben, macht das keiner. Das verleiht dem ganzen Unternehmen einen für meinen Geschmack zu schwerfälligen Charakter.

Besser ohne uns

Der Camper gefiel uns gut, was die effiziente Nutzung angeht. Es ist schon toll, was hier auf kleinstem Raum untergebracht ist. Allerdings merkt man an vielen Stellen, dass es eben ein nachträglicher Ausbau ist. Die zusätzliche Verkleidungen, die nur mäßig komfortabel bedienbaren Fensterplissees und die für meine Muskelkraft unangenehm schwere Seitentür sind sicher völlig normal, schränken unsere Begeisterung aber doch ein. Für uns ist es zudem von Nachteil, dass ich mich nicht an das Steuer des Campers setze. Ich fange gerade an, mich nach langer Zeit wieder an das Autofahren zu gewöhnen, da mag ich keinen Camper mit Gangschaltung fahren. Übrigens waren diese vier Tage in der letzten Zeit unsere teuerste Reise, ein preiswerter Spaß war das nicht. Dennoch sind wir sehr froh, dass wir diese Reise gemacht haben. Sie war die Grundlage für unsere Entscheidung, uns keinen Camper anzuschaffen. Nicht auszudenken, was wäre, hätten wir diesen Test nicht gemacht und einen Camper gekauft. Kurzum: Für viele Menschen ist so ein Camper sicher eine tolle Sache, aber wir werden uns keinen kaufen. Und nach Venedig werden wir dann mit der Bahn reisen – irgendwann!