Vom Hauptbahnhof nach Bergedorf

Tag 7 der Elbwanderung

Der dritte Tag meiner Hamburgdurchwanderung oder besser der zweite, am ersten war ich ja noch in Schleswig-Holstein, ist recht eigenwillig, was die Auswahl der Route anbetrifft. Aber da ich ja ohne Unterbrechung die Strecke laufen möchte, muss ich irgendwie vom Hauptbahnhof in Richtung Bergedorf kommen, zur Ostseite der Stadt. Und zugegeben, hier ist Hamburg nicht wirklich schön. Erst einmal habe ich den Hauptbahnhof an einer sehr unschönen Ecke verlassen, bin dann rüber zum Steintor, Adenauer Allee, raus aus der Innenstadt und schließlich Richtung Rothenburgsort.

Gedenkstätte Bullenhuser Damm

Ich war an der Gedenkstätte Bullenhuser Damm. Die Ausstellungsräume der Gedenkstätte haben nur sonntags geöffnet, aber draußen informieren einige Schautafeln über die grausamen Ereignisse, die an diesem Ort stattfanden. Dort wurden in der Nacht vom 20. auf den 21. April 1945 zwanzig jüdische Kinder ermordet, die vorher im KZ Neuengamme für pseudomedizinische Zwecke missbraucht wurden. Außerdem wurden noch mindestens 28 erwachsene Personen getötet, darunter russische Kriegsgefangene und die vier Pfleger, die sich um die Kinder gekümmert hatten. Nein, das ist kein anheimelnder Ort, leider, aber ein sehr wichtiger.

Große Kontraste und ein heißer Tee

Die ganze Gegend ist mit Gewerbe und Industrie besiedelt, wahrlich nicht schön. Teilweise muss man auf der Straße gehen, weil die Bürgersteige voll sind mit Autos, Autowracks und Müll. Soweit man das überhaupt Bürgersteige nennen kann, vielleicht sind es eher Seitenstreifen. Jetzt bin ich aber aus der Ecke raus und eben an der Bille längs gelaufen. Inzwischen ist die Gegend angenehmer, was aber nicht heißt, dass sie angenehm ist. Aber es ist wenigstens deutlich sauberer und aufgeräumter. Zudem habe ich in einem Best Western Hotel in sehr freundlicher Atmosphäre einen Tee getrunken, ein bisschen Strom für mein Handy bekommen und mich ein bisschen aufgewärmt. Das fühlt sich an, als ob man die Welten wechselt. Erst dieses Chaos und der Schmutz, diese ganz unangenehme Umgebung, und dann das sehr gepflegte Hotel mit besonders nettem Personal. Ein Kontrast, wie man ihn sich größer kaum denken kann!

Intensiv vernetzt

Diese Nähe macht einem dann auch bewusst, wie stark die Dinge miteinander vernetzt sind. Denn natürlich sind in diesen Gebieten viele Namen vertreten, die man einfach kennt. Die muss ich jetzt nicht alle aufzählen. Auch weil ich denke, da könnt schon mal jemand seinen Facility Manager vor die Tür schicken und sagen, hey, feg mal eben den Bürgersteig mit oder was auch immer. Also ein bisschen mehr bürgerschaftliches Engagement könnte man sich gerade von mittleren und großen Unternehmen wünschen und von den kleineren erhoffen. Macht ja letztlich für alle Sinn, wenn es einen guten Eindruck macht auf der Straße. Wo ich inzwischen entlanglaufe, ist es allerdings nicht mehr ganz so drastisch, eigentlich für Gewerbe recht aufgeräumt.

Bergedorf und The Walking Dead

Hatte ich schon den Facebook-Post einer lieben Freundin aus Hamburg erwähnt? Sie schrieb, nie im Leben würde sie diese Strecke zu Fuß gehen. Und ja, das macht tatsächlich kein normaler Mensch, der sich hier auch nur ein wenig auskennt. Jetzt habe ich wieder ein weniger schönes Stück erwischt, dieses Mal parallel zur Bergedorfer Straße, die sehr groß ist und an der man nicht gehen kann, weil es eine Bundesstraße ist. Aber parallel dazu gibt es noch eine kleinere Straße mit einem Fußweg. Ein Anwesen musste ich tatsächlich fotografieren, weil es mir wirklich das Gefühl vermittelte, ich sei gerade mitten in einer Szene von The Walking Dead: Gleich kommt Rick um die Ecke und hat bestimmt ein warmes Plätzchen für mich, an dem ich sicher bin vor den Beißern. Ok, das war nicht nötig, aber eine angenehme Umgebung fühlt sich anders an. Ach ja, Rick habe ich auch nicht getroffen.

Die längste Straße Hamburgs führt nach Bergedorf

Parallel zur Bergedorfer Straße, die übrigens Hamburgs längste Straße ist, gab es eine Straße An der Ringbahn, das ist eine Fahrradstraße plus Fußweg. Der Fußweg war jetzt zwar nicht so riesig, aber sehr schön zu laufen. Zwischendurch habe ich noch ein Päuschen gemacht, etwas gegessen und einen Schluck Kaffee getrunken. Jetzt bin ich in einem Waldstück. Hier scheint so etwas wie ein Bodenlehrpfand entlangzuführen. Ich laufe neben einem kleinen Bach. Es ist zwar kein großes Waldgebiet, aber immerhin mal ein bisschen Abwechslung. Natürlich hört man die Autos noch im Hintergrund, aber es ist trotzdem recht ruhig, man sieht keinen Menschen. Doch am Eingang zu diesem Waldgebiet gab es einen Hinweis darauf, dass hier Schafherden samt Hütehunden durchziehen können. Ich habe noch kein Schaf gesehen, ich habe noch keinen Hund und auch noch keinen Menschen gesehen, aber vielleicht werde ich ja noch überrascht. Rechts vom Weg sieht das fast schon ein wenig moorig aus, zumindest steht da das Wasser im Wald und es liegen einige Bäume darin. Jetzt sind es noch ungefähr fünf Kilometer bis nach Bergedorf und ich bin gespannt, wie sich das landschaftlich darstellt. Ein bisschen nette Landschaft wäre jetzt ganz schön nach den ganzen Industrie- und Gewerbegebieten.

Viel unberührte Natur in der Großstadt

Der Pfad durch den Wald war leider nur ein kurzes Vergnügen. Aber ich kam dann nach Weidenmoor. Der Name dieses kleinen Stadtteils bestätigt meinen Verdacht, dass ich gerade durch eine moorige Gegend gewandert bin. Der Teil des Ortes, durch den ich ging, war sehr hübsch. Kurz nach dem Ortseingang steht in einem Garten übrigens ein etwa 60 Jahre alter Urweltmammutbaum samt einer Infotafel über dieses lebende Fossil. Die Anwesen sind auf angenehm unaufdringliche Art sehr gepflegt. Eine hübsche Ecke von Hamburg.

Boberger Niederung

Viel unberührte Natur rund um Bergedorf

Ich bin dann wieder rechts abgebogen und gehe durch die Boberger Niederung. Diese Heidefläche mitten in der Stadt ist ganz erstaunlich. Sie steht unter Naturschutz und zwar schon seit 1991. Mir war das bis dato völlig unbekannt. Ich finde es unglaublich spannend, wie viele natürliche Flächen es im Hamburg noch zu entdecken gibt. Das kenne ich aus Nürnberg so eigentlich kaum. Wobei das meiner Unkenntnis anzulasten sein könnte. Doch es ist wirklich sehr vielfältig hier. Da hinten scheinen auch ein paar Rastgelegenheiten zu kommen. So aus der Ferne betrachtet sind das Bänke. Sehr nett. Da ist ein Parkplatz, wahrscheinlich gehen hier viele Leute spazieren. Bergedorf ist ja nicht mehr weit.

Am Freitag gehe ich von Bergedorf aus weiter. Wer will, gibt mir hier Tipps oder lässt mal einen Gruß da. Ich würde mich freuen. Oder schreibt mir eine E-Mail.

4 Gedanken zu „Vom Hauptbahnhof nach Bergedorf“

  1. Hallo Andrea, es ist wieder ein toller Beitrag.
    Der Norden ist doch wunderschön.Es gibt in jeder Stadt ein paar Ecken, die nicht so schön sind. Liebe Grüße Mutti

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    • Hallo, liebe Mutti,
      ja solche Ecken gibt es überall, das gehört einfach dazu. Ist aber auch spannend. Erstens der Wechsel der Stadtteile. Und zweitens kommt man da ja sonst kaum hin.
      Liebe Grüße
      Andrea

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  2. Liebe Andrea! Dein Projekt ist beeindruckend uns zeigt Deutschland wie es ist – abwechslungsreich, wunderschön oder auch mal nüchtern. Ich selbst habe durch den Blick hinter Kulissen und in die dunklen Ecken erst wirklich verstanden, wie wichtig das Können und Engagement von Handwerkern und ortsverbundenen Menschen für die Schönheit unserer Heimat sind.
    Gute weitere Reise!
    Sybille

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    • Dankeschön, liebe Sybille,
      das stimmt, wenn man sich auch die nüchternen – wunderbares Wort! – Ecken anschaut, merkt man erst, wie eng alles miteinander verzahnt ist.
      Liebe Grüße
      Andrea

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