Von Stendal nach Jerichow

Tag 17 der Elbwanderung

Heute morgen startete ich wohlgemut von Stendal aus in Richtung Jerichow. Der Weg aus der Stadt heraus ist nicht sonderlich hübsch, der Ortsrand wirkt eher wie ein Gewerbegebiet. Aber ich war dann bald in Miltern, wo ich eine sehr schöne Pause gemacht habe. Es gab einen kleinen pittoresken Dorfteich mit einem Schwanenpaar, ich saß auf einer Bank und habe mal geschaut, wie es sich mit dem weiteren Weg bis Jerichow gestaltet. Glück im Unglück, ich habe einen älteren Herrn nach der Elbbrücke gefragt, weil bei Google Maps der Weg nicht so ganz eindeutig war. Von ihm erfuhr ich, dass ich mir den Weg dorthin sparen kann, weil die Brücke nämlich gesperrt sei.

Eine Trainingseinheit für den Megamarsch

Jerichow
Auf dem Weg nach Jerichow

Das war keine gute Nachricht, denn damit wird der Tag heute genauso lang wie der Tag gestern. Statt einen kleinen Schwenk in Tangermünde nach Norden zu machen, habe ich jetzt einen großen Schwenk von 16 Kilometern nach Süden zur Fähre Grieben vor mir. Diese Fähre fährt bis zwanzig Uhr. Das passt wunderbar für mich, denn ich werde dort wahrscheinlich gegen sechzehn Uhr ankommen, dann ans östliche Ufer übersetzen und in nördlicher Richtung weitergehen. Das sind dann wahrscheinlich nochmal so sieben, acht Kilometer. Aber, was soll’s, das trainiert. Und bald ist ja der Megamarsch, da kann ja ein bisschen Training gar nicht schaden. Allerdings wäre es mir ohne Gepäck lieber. Aber auch da mache ich Fortschritte, ich reduziere mein Gepäck gerade um alles was ess- und trinkbar ist und hoffe auf den nächsten Ort. Es ist allerdings eine recht verhaltene Hoffnung. Daher wird der letzte Kaffee, der in meiner Thermosflasche ist, eingeteilt. Er sollte wenigstens reichen, bis ich am anderen Flussufer bin. Denn dort kommt noch ein kleiner Ort mit ein paar Häusern. Dort kann ich dann klingeln und die Flasche auffüllen. Das klappt ja im Allgemeinen bestens, weil die Menschen eben doch gern helfen. Aber einen frischen Kaffee werde ich kaum bekommen und etwas zu essen wohl auch nicht. Also wieder ein Tag, an dem ich eher Kalorien verbrauche. Ich hoffe mal, dass ich heute Abend in Jerichow etwas Ordentliches auf den Teller bekomme. Mal sehen!

Weite Felder und Wanderwetter

Ansonsten bietet die Landschaft hier viel landwirtschaftliche Nutzfläche, aber es geschieht jetzt im Herbst wenig, das meiste ist abgeerntet. Ab und an wird auf einem Feld noch gearbeitet, aber eher selten. Man hat einen weiten Blick heute. Der Himmel ist blau und es gibt ein paar Schäfchenwolken, also das perfekte Wanderwetter. Ich wandere ohne Jacke, mit Jacke wird es tatsächlich in der Sonne ganz schnell zu warm, obwohl ich nur so eine Softshelljacke dabei habe, aber ohne geht es tatsächlich besser. Das hat leider den Nachteil, dass das Gepäck noch ein bisschen schwerer wird, denn die Jacke kommt ja noch auf den Rucksack.

Menschenleer bis Jerichow

Wenig Radfahrer sind unterwegs, ich habe heute nur zwei Spaziergänger getroffen. Wanderer, die längere Strecken gehen, treffe ich hier in der Gegend gar nicht. Es ist aber auch Herbst und da wirkt die Landschaft schon aufgrund der Jahreszeit völlig menschenleer.

Ganz nah an der Elbe

Der Tag endete nachher noch sehr spannend. Ich bin immer dichter an die Elbe heran gekommen auf meinem Weg in Richtung Fähre. Das war teilweise sehr schön, ganz nah am Wasser, Angler saßen am Ufer, von weit her kam ein Hund angelaufen, der mich stürmisch und freundlich begrüßte. Ich konnte ihn zum Glück daran hindern, mich anzuspringen, weil er nämlich ziemlich groß war, wahrscheinlich wäre ich mit meinem dicken Rucksack wie ein Käfer umgekippt. Aber er war sehr freundlich und stürmte auch schon wieder zu seinem Chef davon. Es war nicht mehr weit bis zur Fähre. Über eine Wiesen- und Ackerfläche bin ich dann direkt zum Anleger gekommen.

Hoffnung auf Kaffee und eine Kleinigkeit

Da wartete schon ein Radfahrer, der hatte sein Rad abgestellt und ging den abschüssigen Zubringer zur Fähre runter. Ich blieb oberhalb stehen. Wir kamen ins Gespräch, als er wieder zurück kam. Ich habe mich gleich bei ihm informiert, denn er kam aus der Gegend hier, welche Möglichkeiten in dem gegenüberliegenden Ort auf mich warteten, um meine Ernährungslage zu optimieren. Da hätte es eine Fleischerei gegeben, die selber Wurstwaren herstellt, da könnte ich ja dann auch schwach werden, obwohl ich ja sonst keine Wurstwaren esse. Aber in so einem Fall kann man ja mal eine Ausnahme machen. Es wäre wohl auch ein Gasthof da gewesen. Also die Chancen standen gut auf einen heißen Kaffee oder ein paar Wienerle – oder was auch immer mein Herz begehrt hätte.

Oh weh!

Ja, wir standen und standen, auf der Fähre tat sich dies und das, manchmal hörte man Motorengeräusche, dann wieder nicht. Hinter uns stand ein Auto. Der Fahrer stieg dann irgendwann aus, dann kam noch ein Auto und am Ende waren es vier Autos. Drei Fahrer, eine Fahrerin, ein Kind dabei und der Radler und ich. Wir standen da und standen und interessierten uns immer mehr für das, was da auf der Fähre geschah. Leider verhieß das alles nichts Gutes. Autos fuhren auf die Fähre und wieder runter. Wir rätselten. Wir meinten auch, dass man eine Flex gehört hätte. Wie auch immer, das alles wirkte sehr unsicher. Schließlich kam die Dame auf die Idee, einfach mal bei der Verkehrsgesellschaft anzurufen, die Betreiber der Fähre ist. Und da hieß es: Motorschaden! Das war das Aus! Besonders für mich.

Eine nette Dame – meine Rettung

Ich stand dort mit ziemlich offenem Mund. Ich bin den Weg dorthin gegangen, anstatt über die Brücke nach Tangermünde zu gehen, weil die ja für Fußgänger und Radfahrer gesperrt ist, nicht aber für Autos. Das hatte ich dann auch inzwischen raus bekommen. Hätte mir aber auch nichts genützt. Als Fußgänger möchte ich nicht auf den Autostrecken auf einer Brücke gehen, also wäre meine Entscheidung die gleiche geblieben. Allerdings musste jetzt eine neue Lösung her. Und während ich da noch mit offenem Mund stand, hat der Radler schon die anderen Reisenden gefragt, wer mich denn mitnimmt, denn ich sei zu Fuß. Das war klasse. Die Dame hat mich dann mitgenommen nach Tangermünde und die Brücke, für die ich als Fußgänger keine Chance gehabt hätte, war für mich als Automitfahrerin der Weg in den Osten.

Ich habe meinen Stolz!

Wir sind dann also über die Brücke gefahren und meine Retterin hätte mich auch gleich nach Jerichow gefahren, aber das wollte ich dann doch nicht. Ich habe ja auch meinen Stolz. Aber ich denke mal, dieser Ausreißer, ein Verkehrsmittel zu nehmen, war an einem Tag wie diesem nachvollziehbar und ich hätte auch gar keine andere Chance gehabt. Doch das restliche Stück nach der Brücke, das wollte ich unbedingt zu Fuß gehen. Bei Fischbeck, weil wir vorher nicht gut halten konnten, habe ich mich dann verabschiedet und bin zu Fuß weitergegangen.

Der Deichdurchbruch bei Jerichow

Fischbeck ist der Ort nördlich von Jerichow und man konnte zunächst ein Stück auf dem Deich gehen. Fischbeck ist schön. Es gibt ein Denkmal, das an den Deichdurchbruch von 2013 erinnert. Damals hat man dort ein Schiff, ich hab woanders schon gehört, es sei ein polnisches Militärschiff gewesen, quer gegen den Deich gelehnt. So wurde Schlimmeres verhindert. Das Wasser muss sehr weit ins Innere des Landes gekommen sein. Die Straße, über die wir gefahren waren, wurde auch teilweise weggerissen. Unglaublich, was für Kräfte das Wasser entwickeln kann. Ein paar Bilder der Katastrophe gab es auch beim Deichdenkmal. Und während ich mir das noch so anguckte, das Denkmal fotografierte, kamen drei Radler. Erst ein Herr und dann noch zwei Damen. Mit dem Herrn hatte ich mich schon unterhalten, als die Damen kamen.

Radler mit dem gleichen Problem

Die drei standen nämlich auf der anderen Seite der Fähre von Grieben. Also an dem Ufer, das ich erreichen wollte. Sie kamen aus Grieben, wollten zu der Seite, auf der ich zuvor war, und hatten das gleiche Problem: Fähre mit Motorschaden. Dann fahren wir doch über die Brücke, haben sie sich gesagt. Ich habe ihnen nur sagen können, ja, die Brücke ist gesperrt für Radfahrer und Fußgänger. Allerdings, als wir rüber fuhren, haben wir uns auch gewundert, warum sie schon gesperrt ist, denn grundsätzlich soll auf dem Radweg, den auch die Fußgänger benutzen die Asphaltdecke erneuert werden und die Auf- und Abgänge. Da sollen Rampen gebaut werden. Letzteres schien auch schon irgendwie im Gange zu sein auf der Tangermünder Seite. Also man hätte da nicht mehr so ganz einfach rauf kommen können, aber der Weg an sich, der war frei und begehbar. Da fehlte uns das Verständnis dafür, dass man die Brücke ganz sperrte. Ich kann es nicht beurteilen, vielleicht gab es ja zwingende Gründe dafür, zumindest meinten die drei Radler, sie nehmen jetzt die Brücke. Sie kämen sonst nicht nach Hause. Sie hatten wirklich sonst keine Chance mehr. Es gab natürlich weiter im Norden und noch weiter im Süden auch wieder Fähren, aber irgendwie ist es wirklich illusorisch, so weite Touren von den Menschen zu verlangen. Dunkel würde es außerdem in Kürze werden.

Abenteuerliches Jerichow

Am Ende des Tages bin ich in Jerichow im Dunkeln eingelaufen. Und das waren noch einmal rund sechs Kilometer. Ich hatte die Vermieter des heutigen Abends schon angerufen und Bescheid gesagt, dass es halt ein bisschen später wird, sie sich nicht wundern sollen und auch erklärt warum. Die Dame hat mir gleich einen Gasthof empfohlen, der vielleicht noch geöffnet hätte. Hatte der Gasthof aber leider nicht, da stand nur dran „Essen Sie bei uns, damit wir beide nicht verhungern!“ Guter Ansatz, guter Plan, nur so leider nicht ausführbar, die Tür war geschlossen. Dann bin ich ein Stück weiter gegangen. An der linken Straßenseite fand ich einen etwas abenteuerlichen Imbiss. Ich habe Dinge gegessen, die ich sonst nie essen würde und – was soll ich sagen – wenn man Hunger hat, schmeckt auch das. Nach dem Essen ging es mir besser. Und jetzt bin ich mal gespannt, wo ich morgen ein Frühstück auftreiben werde, bevor ich den Bus und dann die Bahn nach Hause nehme.

Komoot-Aufzeichnung meines zweiten Rekords

Leider hatte ich, nachdem ich in das Auto gestiegen bin nicht sofort meine komoot-Aufzeichnung abgebrochen. Ich habe dann aber bei komoot geguckt, man kann das dort ermitteln, in dem man genau auf den Punkt geht mit dem Cursor, bis zu dem man die Entfernung berechnen möchte. Und das waren 24,5 Kilometer und dann kam noch das Stückchen von Fischbeck nach Jerichow dazu, das waren 8,16 Kilometer. Also habe ich heute 32,6 Kilometer unter den Sohlen meiner Wanderstiefel gelassen. Fast so viel wie gestern. Ich muss sagen, meine Füße wollten auch endlich Feierabend machen.

Wer liest mit und wandert mit mir die wunderschöne Elbe entlang? Ich freue mich über eure Kommentare oder oder eure E-Mails!

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