Von Lenzen nach Wittenberge

Tag 13 der Elbwanderung

Lenzen habe ich morgens gegen 8:30 Uhr in Richtung Wittenberge verlassen. Vor der Tür habe ich mein komoot eingestellt, dass ich heute testen werde, und bin losgelaufen. In Lenzen durch ein kleines Seitensträßchen an der Stadtmauer entlang, das mir den morbiden Charme des Ortes noch einmal näher gebracht hat. Ansonsten überkommt einen bei den vielen leerstehenden Häusern manchmal ein bisschen Traurigkeit und auch der Wunsch, wenigstens eines von ihnen retten zu können. Aber das ist mir leider nicht vergönnt.

Nach Wittenberge, aber auf Umwegen

Dann ging es raus aus Lenzen. Ich habe nicht den direkten Weg nach Cumlosen und Wittenberge gewählt, weil der mich an der B195 entlang geführt hätte. Da muss ich später zwar auch entlang gehen, aber bis Cumlosen mache ich einen kleinen Schwenk und habe einen etwas natürlicheren Weg. Was sich wirklich sehr gelohnt hat. Die Strecke bis zum nächsten Ort war wunderschön. Der Himmel über der Landschaft noch diesig, weite Felder im Wortsinne und weite Wiesen, auf denen – wie vom Maler hineingestellt – Pferde grasten und den Tag begrüßten. Wobei, das haben sie wahrscheinlich schon vor ein paar Stunden gemacht, aber es ist eine hübsche Vorstellung.

Bio – oder bio?

Ein Stückchen weiter dann das Rindvieh auf beiden Seiten der Straße und als ich nach Gandow hineinwandere, sehe ich schon den Biorinderhof. Also dürfen die Tiere ein bisschen das Leben genießen, bevor es endet. Etwas irritierend waren für mich allerdings die Hinweisschilder, dass Wölfe kein Gras fressen und die Weiderinder gefährden. Das ist für mich ein bisschen widersprüchlich zum Gedanken ökologischer Landwirtschaft, denn es gibt ja auch Schutzmaßnahmen für Weidetiere, die ergriffen werden können und die auch den Wolf schonen. Dabei hatte ich so ein bisschen das Gefühl, dass Bio eben doch nicht gleich Bio ist hier. Manche Tiere scheinen hier wohl doch gleicher zu sein als andere. Das ist sehr traurig, nicht nur für die Wölfe, sondern für uns alle.

Humor in Gandow

Aus Gandow heraus ging es dann links herum. Ich gehe östlich von der Elbe immer Richtung Wittenberge. Sehr hübsch, was da so an Häusern zu sehen ist. Allerdings befinden die sich in unterschiedlichsten Stadien der Pflege oder leider auch des Verfalls. An meiner Ausfallstraße sah ich schon von Weitem, wie sich ein älterer Herr vor seiner Haustür in Position brachte, um mich zu begutachten, wie ich vermutete. So war es auch, er sprach mich an. Ich wünschte einen guten Morgen, er grüßte zurück und fragte, ob ich zu Fuß unterwegs sei, dann haben wir kurz darüber gesprochen, wo es denn hin ginge und er sagt: „Nach Wittenberge? Zu Fuß?“ Also so weit ist es jetzt auch nicht, dass man so erstaunt sein müsste, fand ich und bejahte, „Ja, nach Wittenberge.“ Schon kam von ihm in schönem nordischen Tonfall zurück: „Na ja, Sie haben ja Humor!“ Gut, ich hoffe, ich hab den, aber wir haben uns dann doch schnell von einander verabschiedet, weil mich die Natur lockte. Ich verließ Gandow in südlicher Richtung, um ein bisschen näher an die Elbe zu kommen, ganz ans Ufer werde ich heute nicht kommen.

Plattenbauten, ein Hund und Einsamkeit

Bis Cumlosen gehe ich jetzt westlich der Bundesstraße B195. Den Ort Gandow habe ich verlassen und entdeckte auf der linken Seite merkwürdige Bauten. Ich weiß nicht, was für Gebäude das waren. Zur Straße hin schienen es große Wohnbauten zu sein, Plattenbau vermutlich. Es machte nicht den Eindruck, als ob da noch jemand wohnte, im Hintergrund waren riesige Garagen oder gewerbliche Bauten, vielleicht waren dort einst die Arbeitsplätze der Menschen, die vorne wohnten. Es lief ein wunderschöner großer Hund hinter dem Zaun entlang, der mich nacheinander an drei Toren begrüßte. Beim ersten bellte er noch heftig, beim zweiten war er schon entspannter und beim dritten schien er allmählich in den Begrüßungsmodus zu wechseln. Passend zu der Begegnung mit dem älteren Herrn zeigte sich hier auch der Humor in Gandow, denn vom Hochparterre aus wurde man begrüßt von einem Schaufensterpuppentorso in schwarzen Dessous, der schon seine besten Zeiten hinter sich hatte. Ich vermute mal, dass es sich auch hier um eine humorvolle Geste handelte, die mich tatsächlich zum Grinsen brachte, weil der Ort für diesen Torso so denkbar unpassend war. Es hatte schon seinen eigenen Reiz. Fotografieren hat sich leider nicht gelohnt, da es zu weit weg war von der Straße. Und so nett sah der Hund jetzt auch nicht aus, dass ich über den Zaun auf das Grundstück hätte klettern mögen. Außerdem klettere ich auch sonst eher nicht über Zäune. Es ist übrigens sehr einsam hier. Während ich den Ort verließ, links der Hund, wechselte vor mir ein Reh die Straßenseite, entfernte sich aber nicht sonderlich weit von mir.

Eine wunderschöne Eichenallee

Von Gandow aus bin ich nach Lanz gegangen. Es ging ein Stück durch den Wald. Der begann bei Gandow noch als Steckerleswald, wurde aber zunehmend natürlicher, sodass zum Ende das Waldes einiges an Unterholz vorhanden war, viel Buchennachwuchs. Ich vermute, dass der Forst in den letzten Jahrzehnten zunehmend sich selbst überlassen war und so der Natur zumindest teilweise zurückgegeben wurde. Es lag sogar Totholz herum. Auf diesem Wegstück empfand ich es als fortschreitende Renaturierung.

Schließlich machte ich einen Schwenk halb durch Felder, halb durch Wälder, bis ich endlich auf einer langen, nicht sehr spektakulären, aber doch intensiv seitlich bewachsenen Allee flott voran kam. Es gab viele Eicheln, naturgemäß auch viele Eichen, es waren auch Ebereschen und andere Bäume darunter. Von den viele Eicheln auf dem Boden hätten ganze Armeen von Eichhörnchen einen Winter lang satt werden können. Besonders schön waren die reifen Holunderbeeren am Wegesrand. Es macht ja für mich jetzt gar keinen Sinn, aber am liebsten wäre ich pflücken gegangen. Ich liebe Holunderbeeren und Holundergelee. Und Holunderbeeren bekommt man in der Stadt ja eher selten.

Endlich eine Pause mit WC

Schon von Weitem sah ich Lanz. Und wie es auf Wanderungen so üblich ist, stand mir schon der Sinn nach einer Toilette. Deswegen habe ich geschaut, ob es in Lanz einen Gasthof gibt. Und ja, den gibt es und ich habe ihn als Zwischenziel in meine Route aufgenommen und mich in die Richtung begeben. Ich hab den Gasthof aber immer noch nicht erreicht, obwohl er nur ein paar hundert Meter vom Ortsrand entfernt sein soll, denn mich lockte eine nett aussehende Bank vor einem freundlichen Haus und die habe ich auch noch nicht erreicht, die ist noch zehn Meter von mir entfernt, denn zuvor habe ich ein einzeln stehendes Häuschen entdeckt mit einer wunderhübschen Tür, über der das Schild WC stand. Also das hat mich dann gerettet, ich brauchte den Gasthof gar nicht mehr, was natürlich schade für den Gasthof ist.

Friedrich Ludwig Jahn

Meine Pause habe ich eingelegt auf einer runden Bank unter Ahornbäumen, gegenüber des Gebäudes, in dem die Toilette war. Es steht wohl auf einem Grundstück, das der Gemeinde gehört, denn gegenüber von mir, wie auch auf einem der Fotos zu sehen, steht auf dem Nachbargebäude „Gemeinde Lanz“ und links davon ist die Friedrich Ludwig Jahn-Gedenkstätte. Ich habe das Schild, das auf seinen Geburtsort hinwies, schon am Ortseingang fotografiert und will hier gleich mal an der Tür rütteln, aber ich vermute, dass da jetzt geschlossen ist. Doch wer weiß, vielleicht habe ich ja Glück. Auf alle Fälle sieht das Ensemble sehr nett aus.

Hinter dem Backsteingebäude mit dem Gemeindebüro und der Gedenkstätte schaut ein Kirchturm hervor, an dessen Wetterfahne man die Zahl 1463 lesen kann. Die Wetterfahne sieht eher nach einer Schöpfung jüngeren Datums aus, nicht übermäßig modern, aber recht schlicht. Ich nehme an, dass die Zahl auf das Erbauungsjahr der Kirche hinweist. Auf alle Fälle gefällt mir der Dorfkern sehr gut, ich werde mir auch gleich noch die Kirche anschauen, die dazu gehört. Lanz ist ausnehmend hübsch. Bis auf den sehr großen Sattelschlepper mit Containeraufbau, der seine besten Zeiten bereits hinter sich hat. Aber der fährt jetzt wohl weg, zumindest schließt jemand das Führerhaus auf, und ich kann noch ein autofreies Foto in dieser Richtung machen. Ach nein, er fährt doch nicht weg. Schade. Aber wir wollen ja alle mit irgendwas beliefert werden, doch es sieht leider wirklich nicht gut aus.

Romantik in Lanz

Ansonsten ist der Ort Lanz wirklich zauberhaft, er hat auf eine natürliche Art seinen eigenen Charakter, sieht sehr authentisch aus, hat schön gepflasterte Straßen, grüne Seitenränder, insgesamt wirkt das sehr ländlich, aber auch überaus gepflegt und sehr sympathisch. Weiter zum Ortsausgang hin ist ein großer Platz, dahinter steht ein großes Gebäude, vielleicht war es mal ein Gutshaus. So ein bisschen sieht es von der Aufteilung der Fenster nach Jugendstil aus. Auch von der Fassade her könnte ich mir so das erste Drittel des letzten Jahrhunderts als Bauzeit vorstellen. Es wäre sicher schön, hier ein paar Tage zu verbringen. Nichtsdestotrotz werde ich mich jetzt aufmachen, auf der gepflasterten Straße um das Haus der Gemeinde herumgehen. Hinter dem Gemeindehaus ist ja noch die Kirche zu besuchen.

Immer geradeaus

Geplant hatte ich eigentlich von Lenzen aus bald die B195 nach Wittenberge zu erreichen und dort weiterzugehen, doch mir erschloss sich eine andere Möglichkeit. Ich bin ein bisschen weiter östlich gegangen, an einem kleinen Wasserlauf entlang, der heißt Bekkanal und das war deutlich angenehmer als auf der B195, denn dort war, zumindest wo ich auf diese Straße gewechselt hätte, weder ein Fuß-, noch ein Radweg an der Seite. Das wäre bei der recht stark befahrenen Straße unangenehm gewesen. Mein Weg ging von dort aus immer nur gerade aus, über sieben Kilometer einfach nur geradeaus. Das war zwar ein bisschen langweilig, aber der Weg war umso schöner. Ich glaube, es ging die ganze Zeit neben diesem Wasserlauf her, den man kaum gesehen hat. Es war überall noch super grün, ich hätte herbstlichere Farben erwartet. Das Laub ist natürlich schon hier und da gelb und rot. Bunte Blätter fliegen ein bisschen durch die Gegend, aber das Blätterdach der Bäume ist noch erstaunlich grün. Nach dem trockenen Sommer hätte ich das nicht erwartet. Obendrein war die Sonne noch schön warm, sodass ich zeitweise die Jacke ausgezogen habe.

Ankunft in Wittenberge

wittenberge
Ankunft in Wittenberge

Neben mir fuhren die Trecker über riesige Felder, waren schwer am Arbeiten und bald wurde es auch ein bisschen frisch. Ich habe mir die Jacke wieder angezogen, war auch bald in Wittenberge und bin in die Stadt parallel zu einer Straße hineingelaufen, die Feldstraße heißt. Das war vermutlich ein kleiner Vorort von Wittenberge, sehr schöne Häuser, oft groß und teuer scheinend, vielleicht war dieser Ortsteil das kleine Blankenese von Wittenberge. Eine Frau wies mir sehr nett den Weg, denn der war gar nicht so ganz einfach zu finden, aber am Ende hat es geklappt. Ich bin angekommen, durch die Stadt gelaufen, habe unterwegs den Wasserturm gesehen und dann die nette Dame angerufen, die mich in die Pension gelassen hat. Ich bin sehr positiv überrascht von der Pension. Es ist alles ganz neu und geschmackvoll eingerichtet. Das Zimmer ist zwar klein, aber es gefällt mir sehr gut und jetzt werde ich allmählich aufbrechen, um mir eine warme Mahlzeit zu organisieren. Mal schauen, dass ich hier in Wittenberge ein nettes Restaurant finde. Frühstück gibt es hier leider nicht, aber um die Ecke soll es eine Bäckerei geben, die ein gutes Frühstück hat, auch am Sonntag. Hoffentlich finde ich den Weg dorthin.

Auch diese Etappe war wieder des Wanderns wert und sehr abwechslungsreich. Ich freue mich über Kommentare auf der Seite oder über eine E-Mail.

Die Tourdaten findet ihr bei Komoot: Von Lenzen nach Wittenberge

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